# Umsicht

Das haben starke Krisenmanager im Gepäck

Krisen treffen Menschen und Organisationen meist unvorbereitet. Gefragt sind dann starke Persönlichkeiten, die den Überblick behalten und besonnen handeln. Was genau zeichnet herausragende Krisenmanager aus? 

Der Polarforscher Ernest Shackleton wollte als erster Mensch die Antarktis durchqueren, doch es kam anders. 1915 war das Expeditionsschiff „Endurance“ rund zehn Monate lang von meterhohem Packeis eingeschlossen, bis es schließlich für immer in den kalten Fluten versank. Shackleton und seine Mannschaft lagerten zunächst auf Eisschollen und gelangten bei einsetzendem Tauwetter schließlich in Ruderbooten ans rettende Land – und überlebten.Hulton Archive/Getty Images

Die Pro­ble­me häu­fen sich, die Situa­ti­on läuft aus dem Ruder. Sogar als ner­ven­stark gel­ten­de Men­schen ver­lie­ren den Über­blick und reagie­ren panisch. Die Uhr tickt gna­den­los, das Zeit­fens­ter zur Abwen­dung noch grö­ße­ren Unheils schrumpft. Es ist Krise – und sie spitzt sich zu. Ob Ölpest, Erd­be­ben oder Hun­gers­not, Krieg, Finanz­kri­se oder Pan­de­mie: Kata­stro­phen und Kri­sen kön­nen Unter­neh­men, Indi­vi­du­en oder ganze Gesell­schaf­ten tref­fen, Leid und Tod über die Men­schen brin­gen. Nicht umsonst füllt die Lite­ra­tur zum Thema Kri­sen­ma­nage­ment zahl­lo­se Regal­me­ter.

Auch die Coro­na-Pan­de­mie hat gezeigt: Gefragt sind Füh­rungs­per­sön­lich­kei­ten, die sich schnell einen Über­blick ver­schaf­fen. Die unter höchs­tem Druck einen kla­ren Kopf behal­ten und impro­vi­sie­ren kön­nen. Die fähi­ge Leute um sich sam­meln und weit­rei­chen­de Ent­schei­dun­gen in kür­zes­ter Zeit tref­fen. Es ist die Stun­de der Men­schen, die bereit sind, Gren­zen zu ver­schie­ben. Es ist die Stun­de der „Kri­sen-Kön­ner”. Die fol­gen­den fünf Bei­spie­le zei­gen außer­ge­wöhn­li­che Men­schen, die mit Kri­sen in Wirt­schaft, Gesell­schaft und Poli­tik umge­hen muss­ten – und wel­che Eigen­schaf­ten und Fähig­kei­ten sie aus­ma­chen.


Die britische Krankenschwester Florence Nightingale (1820–1910) reformierte das Sanitätswesen und die Gesundheitsfürsorge in Großbritannien und gilt als Begründerin der modernen Krankenpflege. Universal History Archive/Getty Images 

Die Organisatorin: Florence Nightingale

Kran­ken­schwes­ter und Hygie­ne-Pio­nie­rin im Krim­krieg

Spreng­gra­na­ten, Dampf­schif­fe, Unter­was­ser­mi­nen: Der Krim­krieg von 1853 bis 1856 gilt heute als der erste indus­tri­ell gepräg­te Waf­fen­gang der Geschich­te und als Vor­läu­fer der bru­ta­len Mate­ri­al­schlach­ten im Ers­ten Welt­krieg. Aus­ge­tra­gen wurde der Kon­flikt zwi­schen Russ­land auf der einen Seite und dem Osma­ni­schen Reich mit sei­nen Ver­bün­de­ten Frank­reich, Groß­bri­tan­ni­en und Sar­di­ni­en-Pie­mont auf der ande­ren.

Doch nicht nur die moder­ne Waf­fen­tech­nik sorg­te für hohe Ver­lus­te unter den Alli­ier­ten, son­dern auch das ana­chro­nis­ti­sche Laza­rett­sys­tem. Die bri­ti­sche Kran­ken­pfle­ge­rin Flo­rence Nigh­tin­ga­le wurde mit den kata­stro­pha­len Zustän­den in den Mili­tär­hos­pi­tä­lern kon­fron­tiert, als sie 1854 mit 38 wei­te­ren Kran­ken­pfle­ge­rin­nen in die Tür­kei reis­te. Dort­hin hatte man ver­wun­de­te und kran­ke Sol­da­ten gebracht. Auf­grund einer Cho­le­ra-Epi­de­mie waren 3.000 bis 4.000 Sol­da­ten gleich­zei­tig zu ver­sor­gen. Unter den Trup­pen des Empi­res spiel­te sich eine huma­ni­tä­re Krise ab. Trotz man­cher Kon­flik­te mit Ärz­ten und Pfle­ge­kräf­ten um Zustän­dig­kei­ten gelang es Nigh­tin­ga­le, ent­schei­den­de Ver­bes­se­run­gen zu erzie­len und die Ster­be­ra­te unter den Sol­da­ten zu sen­ken. Dabei griff sie weni­ger in die direk­te Betreu­ung der Pati­en­ten ein, statt­des­sen ließ sie Hos­pi­tä­ler nach damals moder­nen Pfle­ge­stan­dards umbau­en. Nigh­tin­ga­le umging das büro­kra­ti­sche Beschaf­fungs­we­sen der Armee und nutz­te von der Lon­do­ner Tages­zei­tung The Times ein­ge­wor­be­ne Spen­den­gel­der, um Bet­ten, Hem­den, Trink­be­cher und Socken zu kau­fen. Sie ließ Wasch­ge­le­gen­hei­ten ein­rich­ten, Zitro­nen­saft zur Skor­but­prä­ven­ti­on ver­ab­rei­chen und setz­te Gemü­se auf den Spei­se­plan.

Mit Mut, Durch­set­zungs­ver­mö­gen und Orga­ni­sa­ti­ons­fä­hig­keit bewies sich Flo­rence Nigh­tin­ga­le als außer­ge­wöhn­li­che Kri­sen­ma­na­ge­rin. Obwohl sie 1856 chro­nisch krank aus dem Krim­krieg zurück­ge­kehrt war, über­trug sie danach viele der in der Tür­kei gewon­ne­nen Erkennt­nis­se auf das zivi­le Gesund­heits­sys­tem Groß­bri­tan­ni­ens. Unter ande­rem ver­fass­te sie popu­lä­re Leit­fä­den für Pfle­ge­kräf­te, grün­de­te eine Pfle­ge­schu­le und nutz­te Sozi­al­sta­tis­ti­ken zur Unter­maue­rung ihrer The­sen.


Während der Antarktisexpedition (1914–1917) wurde das Schiff „Endurance“ vom Eis eingeschlossen. Zunächst bot es dem Polarforscher Ernest Shackleton und seinen Männern Zuflucht vor Kälte, Schnee und Sturm. Doch die Kraft des Eises war erbarmungslos, die Planken bogen sich bald unter dem gewaltigen Druck. Shackleton musste eine andere Lösung finden und ließ die Mannschaft auf die Eisschollen umziehen. Ihrem Lager dort gab er den Namen „Ocean Camp“ – eine stete Mahnung, dass unter dem dünnen Eis nichts war als der kalte, lebensfeindliche Ozean. Bei seiner spektakulärsten Expedition in die Antarktis bewies der britische Polarforscher irischer Abstammung Ernest Shackleton (1874–1922) Durchhaltevermögen und Menschenkenntnis. Durch seine Führungsstärke rettete er unter widrigsten Umständen allen Crew-Mitgliedern das Leben.Hulton Archive/Getty Images

Der Lebensretter: Ernest Shackleton

Polar­for­scher und Expe­di­ti­ons­lei­ter in der Ant­ark­tis

Am 27. Okto­ber 1915 war klar: Es ist vor­bei, die Expe­di­ti­on ist geschei­tert. Die Mann­schaft muss­te das Schiff ver­las­sen. Seit gut zehn Mona­ten steck­te die „Endu­ran­ce“, ein knapp 44 Meter lan­ges Drei­mas­ter-Segel­schiff mit zusätz­li­chem Dampf­ma­schi­nen­an­trieb, fest. Nun wurde ihr robus­ter Rumpf von dem Pack­eis des Wed­dell­mee­res zer­drückt – trotz 28 Zen­ti­me­ter dicken Span­ten aus Tro­pen­holz. Der Groß­seg­ler droh­te schnell zu sin­ken. Die Män­ner der bri­ti­schen „Impe­ri­al Trans-Ant­arc­tic Expe­di­ti­on“ ret­te­ten sich auf eine Eis­schol­le. Nun waren sie auf sich allein gestellt und ihrem Schick­sal in der unwirt­li­chen Eis­welt der Ant­ark­tis über­las­sen. Ihr Glück: Sie hat­ten einen fähi­gen und aus­dau­ern­den Anfüh­rer. Ernest Shack­le­ton.

Mehr als ein Jahr zuvor, am 8. August 1914, hatte der bri­ti­sche Polar­for­scher iri­scher Abstam­mung Shack­le­ton mit 26 Mann Besat­zung auf dem 350 Ton­nen schwe­ren Holz­schiff das eng­li­sche Ply­mouth in Rich­tung Süden ver­las­sen. Ihr ehr­gei­zi­ges Ziel: Sie woll­ten als Erste den ant­ark­ti­schen Kon­ti­nent durch­que­ren. Von Küste zu Küste, über den geo­gra­fi­schen Süd­pol hin­weg.

Die Crew für diese risi­ko­rei­che Expe­di­ti­on hatte Shack­le­ton sorg­fäl­tig aus mehr als 5.000 Bewer­bun­gen aus­ge­wählt: erfah­re­ne See­män­ner, ver­sier­te Wis­sen­schaft­ler, dazu noch ein Foto­graf und ein Maler, die die Unter­neh­mung visu­ell fest­hal­ten soll­ten. Shack­le­ton selbst hatte seine nau­ti­sche Aus­bil­dung bei der bri­ti­schen Han­dels­ma­ri­ne erhal­ten und seine Kom­pe­tenz bereits bei meh­re­ren Expe­di­tio­nen in die Ant­ark­tis unter Beweis gestellt.

Doch neben Erfah­rung und Kön­nen war es vor allem Shack­le­tons untrüg­li­che Men­schen­kennt­nis, die ihm half, die rich­ti­gen Cha­rak­te­re und Fähig­kei­ten in sei­nem Team zur Ent­fal­tung zu brin­gen. Bereits wäh­rend der beschwer­li­chen Reise in die Ant­ark­tis hatte Shack­le­ton die Moral sei­ner Crew mit Fit­ness­übun­gen, Hun­de­ren­nen und Spie­len gestärkt. Und auch nach der Hava­rie der „Endu­ran­ce“, als die Män­ner ihre Zelte in der eisi­gen Ant­ark­tis auf­schlu­gen, gelang es ihm, ein Zuge­hö­rig­keits­ge­fühl unter den Crew-Mit­glie­dern zu schaf­fen und sie auf ein neues gemein­sa­mes Ziel ein­zu­schwö­ren: ihre Ret­tung und das bloße Über­le­ben.

Als die Wet­ter­be­din­gun­gen nach meh­re­ren Wochen güns­ti­ger wur­den, führ­te er die Grup­pe in drei Ret­tungs­boo­ten zunächst auf die unbe­wohn­te Insel Ele­phant Island. Dort ließ er einen Groß­teil der Mann­schaft zurück, um mit fünf aus­ge­wähl­ten Män­nern in einem der Boote die Fahrt zu den Wal­fang­sta­tio­nen auf der Insel Süd­ge­or­gi­en zu wagen und Hilfe zu holen – gut 1.500 Kilo­me­ter Segeln über das offe­ne, eisi­ge Meer. Er wähl­te sei­nen bes­ten Navi­ga­tor sowie einen Mann mit Humor, der die Runde auf­hei­tern soll­te, und einen beson­ders moti­vier­ten Frei­wil­li­gen. Mit dabei waren auch zwei eher pes­si­mis­ti­sche Zeit­ge­nos­sen – sie woll­te Shack­le­ton nicht bei der Grup­pe der War­ten­den zurück­las­sen, da er befürch­te­te, deren Moral könne geschwächt wer­den. Nach zwei Wochen Fahrt erreich­te er mit dem Ret­tungs­boot Süd­ge­or­gi­en und konn­te ein Schiff orga­ni­sie­ren, um die Män­ner auf Ele­phant Island zu ret­ten.

„Kei­ner hat sein Leben ver­lo­ren und wir sind durch die Hölle gegan­gen“, schrieb Shack­le­ton nach der Ret­tung an seine Ehe­frau Emily. Seine Ent­schlos­sen­heit und Füh­rungs­stär­ke, basie­rend auf Wer­ten wie Loya­li­tät und Kame­rad­schaft, gel­ten als Schlüs­sel für diese Mann­schafts­leis­tung.


Helmut Schmidt (1918–2015) machte sich als Innensenator Hamburgs während der Sturmflut 1962 durch sein beherztes Eingreifen bis an die Grenzen des rechtlich Möglichen einen Namen als „Krisen-Könner”. Zwölf Jahre später wurde er der fünfte deutsche Bundeskanzler. Conti Press/Keystone

Der Anpacker: Helmut Schmidt

Innen­se­na­tor Ham­burgs wäh­rend der Sturm­flut 1962

Knall­har­ter deut­scher Bun­des­kanz­ler im Kampf gegen die Ter­ro­ris­ten der „Rote Armee Frak­ti­on“. Pro­fi­lier­ter Her­aus­ge­ber einer Wochen­zei­tung. Gefrag­ter Welt­erklä­rer mit Men­thol-Ziga­ret­te. Hel­mut Schmidt besetz­te im Laufe sei­nes Lebens viele Rol­len auf der poli­tisch-gesell­schaft­li­chen Bühne. Keine davon war dem star­ken Rau­cher so auf den Leib geschnit­ten wie jene, die ihm den wei­te­ren Kar­rie­re­weg ebne­te. Und die er in den fol­gen­den Jahr­zehn­ten nach allen Regeln des Selbst­mar­ke­tings aus­schmück­te: die des kri­sen­fes­ten Ham­bur­ger „Sena­tors der Poli­zei­be­hör­de” wäh­rend der Sturm­flut in der Hafen­stadt im Früh­jahr 1962. Für sein poli­ti­sches Amt im nord­deut­schen Stadt­staat, das er Ende 1961 antrat und das ver­gleich­bar mit dem des Innen­mi­nis­ters auf Bun­des­ebe­ne ist, hatte Schmidt sein Bun­des­tags­man­dat nie­der­ge­legt, das er seit 1953 besaß.

Im Febru­ar 1962 peitsch­te das Tief „Vin­ci­net­te“ die Was­ser­mas­sen der Nord­see in die Deut­sche Bucht. In der Nacht vom 16. auf den 17. Febru­ar bra­chen in Ham­burg meh­re­re maro­de Dei­che. Meter­hoch über­spül­ten die eisi­gen Flu­ten den hafen­na­hen Stadt­teil Wil­helms­burg. Viele Men­schen ertran­ken in ihren Häu­sern. Am frü­hen Mor­gen erreich­te Schmidt den Kri­sen­stab im Poli­zei­prä­si­di­um. Der muss­te wegen flä­chen­de­cken­der Strom­aus­fäl­le im Licht von Gas­lam­pen tagen. Ret­tungs­ak­tio­nen waren bereits ange­lau­fen, Hub­schrau­ber ange­fragt. Mit sei­nen guten Kon­tak­ten als ehe­ma­li­ger Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ter mobi­li­sier­te Schmidt wei­te­re Kräf­te von Bun­des­wehr und NATO. Sein auto­ri­tä­res Auf­tre­ten half ihm dabei, Ent­schei­dun­gen zu beschleu­ni­gen.

„Ich habe mich um die Geset­ze nicht geküm­mert“, ist eines der Zita­te, die von Schmidt (Spitz­na­me: „Schmidt-Schnau­ze“) über die dra­ma­ti­schen Stun­den über­lie­fert sind. Sub­jek­tiv mag das rich­tig sein. Objek­tiv war der Ein­satz des Mili­tärs in Kri­sen­zei­ten schon seit eini­gen Jah­ren recht­mä­ßig. Frag­los aber bewerk­stel­lig­te es Hel­mut Schmidt, die ver­füg­ba­ren Kräf­te zu bün­deln und viele Men­schen aus den bald ver­eis­ten Über­flu­tungs­ge­bie­ten zu ret­ten. Die Flut ver­ur­sach­te Schä­den in Mil­li­ar­den­hö­he, 340 Men­schen star­ben. Doch wie viele Opfer wären es ohne den Kri­sen­ma­na­ger Hel­mut Schmidt gewor­den?


Als die globale Banken- und Finanzkrise von 2007 auch den Logistikdienstleister DHL Express in Bedrängnis brachte, schlug die Stunde des britischen Managers Ken Allen (geb. 1955). picture alliance/Bruno Fahy/BELGA/dpa

Der Aufräumer: Ken Allen

CEO von DHL Express in der Finanz­kri­se 2007/2008

„Eine Krise ist die beste Zeit für die Bes­ten, ihr Bes­tes zu geben“, sagte Ken Allen im Jahr 2010, der zur Zeit der Krise CEO des Logis­tik­dienst­leis­ters DHL Express war. Er wuss­te, wovon er sprach. 2007/2008 hatte er selbst sein Bes­tes gege­ben und die US-Spar­te von DHL Express vor der Plei­te geret­tet. Und weil der „Kri­sen­hun­ger” des Bri­ten offen­bar nicht gestillt war, order­te er Nach­schlag. Nach sei­ner Beför­de­rung im Jahr 2009 mach­te er sich daran, als Vor­stands­chef auch das ange­schla­ge­ne Mut­ter­un­ter­neh­men in Rekord­zeit auf­zu­päp­peln. Zu die­sem Zeit­punkt hatte die Finanz­kri­se die Schwach­stel­len von DHL Express gna­den­los offen­ge­legt, die Kos­ten waren zu hoch, die Erlö­se zu gering. In Groß­bri­tan­ni­en und Frank­reich schlepp­te das Unter­neh­men, des­sen Stär­ke eigent­lich die grenz­über­grei­fen­de Logis­tik ist, ver­lust­brin­gen­de Inlands­ge­schäf­te mit sich herum. Dazu waren die Ver­wal­tungs­struk­tu­ren von DHL ver­krus­tet.

Allens Credo lau­tet: Weni­ger ist mehr. Er gilt als Meis­ter darin, Prio­ri­tä­ten zu set­zen, den Fokus aufs Wesent­li­che zu len­ken und einen Plan mit aller Kon­se­quenz durch­zu­zie­hen. Gleich­zei­tig besitzt Allen ein fei­nes Gespür dafür, in wel­che Zukunfts­pro­jek­te wei­ter­hin inves­tiert wer­den muss. In einem Bei­trag für den Har­vard Busi­ness Mana­ger riet Allen Füh­rungs­kräf­ten 2019, sich in Kri­sen­zei­ten nicht nur zu fra­gen, was man tun soll­te. Viel­mehr laute die ent­schei­den­de Frage oft, was man nicht mehr tun soll­te.

Nach die­sem Rezept ging Ken Allen 2009 bei DHL ans Werk. Er ver­klei­ner­te den Vor­stand und redu­zier­te die Zahl der Regio­nal­ver­wal­tun­gen. Wenig ren­ta­ble Geschäfts­fel­der lager­te er an Koope­ra­ti­ons­part­ner aus. Die Größe der Beleg­schaft rich­te­te Allen auf den Auf­schwung nach der Krise aus, gleich­zei­tig wur­den die Mit­ar­bei­ter für den Gewinn­brin­ger inter­na­tio­na­les Geschäft geschult. An stra­te­gisch wich­ti­gen Inno­va­ti­ons­pro­jek­ten hielt er fest. Der Erfolg der fol­gen­den Jahre gab ihm recht. Bis Ende 2009 san­ken die Kos­ten des Kon­zerns um 480 Mil­lio­nen Euro, DHL kam wie­der in die Spur. Ken Allen gilt seit­her als einer der Top-Kri­sen­ma­na­ger welt­weit.

 


„Als ob ich nicht da gewesen wäre“. Die ugandische Klimaaktivistin Vanessa Nakate begehrte auf, als sie aus einem Foto vom Weltwirtschaftsforum in Davos 2020 herausgeschnitten wurde und verbindet seitdem Klimaschutzanliegen mit dem Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung.Isaac Kasamani/AFP/Getty Images

Die Mutige: Vanessa Nakate

Akti­vis­tin für Kli­ma­schutz und gegen Ras­sis­mus

Die Ugan­de­rin Vanes­sa Naka­te ist keine Kri­sen­ma­na­ge­rin im klas­si­schen Sinn. Doch sind die Kri­sen, denen sich die 23-Jäh­ri­ge ent­ge­gen­stemmt, auch alles ande­re als gewöhn­lich. Naka­te ist Kli­ma­ak­ti­vis­tin und gleich­zei­tig Kämp­fe­rin für eine Welt ohne Ras­sis­mus. Für beide Sach­ver­hal­te hat sie eine Per­spek­ti­ve, die den meis­ten Bewoh­nern des Wes­tens fremd ist: Sie blickt von außen auf die Blase der weiß und indus­tri­ell gepräg­ten Welt.

Inspi­riert von der schwe­di­schen Kli­ma­ak­ti­vis­tin Greta Thun­berg, begann die Stu­den­tin im Janu­ar 2019 vor dem Par­la­ment in Ugan­das Haupt­stadt Kam­pa­la für den Kli­ma­schutz zu strei­ken. Vanes­sa Naka­te hatte beob­ach­tet, dass Hit­ze­wel­len, Dür­ren und Unwet­ter immer stär­ker die Lebens­grund­la­ge in ihrer Hei­mat bedro­hen. Außer­dem erleb­te sie eine Krise in der Krise. Sie erkann­te, dass Afri­ka in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung der Kli­ma­be­we­gung zu kurz kommt, dass die Bewe­gung „Fri­days for Future“ sich vor allem um die Ängs­te und Sor­gen in den west­li­chen Indus­trie­na­tio­nen dreht und dass es der Jugend in Afri­ka an Wis­sen zum Thema Kli­ma­wan­del fehlt – und damit auch an Mög­lich­kei­ten, poli­ti­sche For­de­run­gen zu arti­ku­lie­ren. Wäh­rend befreun­de­te Stu­den­ten aus Angst vor Repres­sa­li­en zu Hause blie­ben, zog Naka­te ihren Streik mutig und ent­schlos­sen durch. Pla­ka­te und Ban­ner fer­tig­te sie mit­hil­fe ihrer Geschwis­ter, lange demons­trier­te sie allein.

Im Janu­ar 2020 reis­te Vanes­sa Naka­te zum Welt­wirt­schafts­fo­rum nach Davos, traf dort Thun­berg, die Deut­sche Luisa Neu­bau­er und wei­te­re Akti­vis­ten. Es ent­stand ein Foto der Grup­pe, aus dem Naka­te von der Nach­rich­ten­agen­tur AP her­aus­ge­schnit­ten wurde. Naka­te nutz­te die sozia­len Medi­en, um auf den Vor­fall auf­merk­sam zu machen. „Afri­ka ist der gerings­te Ver­ur­sa­cher von Koh­len­di­oxid, aber wir sind am stärks­ten von der Kli­ma­kri­se betrof­fen“, sagte sie in einem Twit­ter-Video. „Wenn ihr unse­re Stim­men aus­löscht, ändert das nichts. Wenn ihr unse­re Geschich­ten aus­löscht, ändert das nichts.“ Hun­dert­tau­send­fach wur­den ihre Tweets und Vide­os zum Thema geteilt. Die Agen­tur räum­te den Feh­ler öffent­lich ein und tausch­te das Foto aus. Ihr ent­schlos­se­nes Han­deln bescher­te Naka­te viel Auf­merk­sam­keit – und damit auch ihrem Kampf gegen die dop­pel­te Krise.

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