# Umsicht

Klinik im
Krisenmodus

Am „Klinikum rechts der Isar“ in München gehört der Kampf gegen das Coronavirus schon zum Alltag. Die Kaufmännische Direktorin Dr. Elke Frank sieht jetzt Chancen, den Digitalisierungsrückstand aufzuholen.

Das Klinikum rechts der Isar in München ist eine der größten Kliniken Deutschlands. Michael Stobrawe/Klinikum rechts der Isar

Elke Franks Tag beginnt stets mit einem Blick auf das Smart­pho­ne. „Nach dem Auf­ste­hen che­cke ich erst mal die Mails“, sagt die Kauf­män­ni­sche Direk­to­rin am Mün­che­ner Kli­ni­kum rechts der Isar und fügt hinzu: Dass ich mit­ten in der Nacht ange­ru­fen werde, kommt auch manch­mal vor.“ Seit Beginn der Coro­na-Pan­de­mie passiert das häu­fi­ger. Zum Bei­spiel wenn ein Kol­le­ge aus China anbie­tet, Schutz­aus­rüs­tung zu lie­fern. Ange­kom­men an ihrem Arbeits­platz im Alt­bau der tra­di­ti­ons­rei­chen Kli­nik, steht als Ers­tes ein Abgleich mit den Stabsstel­len an. „Die Beherr­schung der Pan­de­mie steht gera­de natür­lich im Vor­der­grund. Wir ver­su­chen trotz­dem, eine gewis­se Nor­ma­li­tät zu wah­ren, und unser Tages­ge­schäft geht par­al­lel wei­ter.“   

 Das Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Mün­chen mit sei­nen rund 40 Kli­ni­ken und Abtei­lun­gen ist auf die sogenann­te Supra­ma­xi­mal­ver­sor­gung – also auf einen mas­sen­haf­ten Anfall von Erkrank­ten in kur­zer Zeit – aus­ge­legt. Das Kli­ni­kum rechts der Isar ver­sorgt gemein­sam mit dem zwei­ten Mün­che­ner Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum, dem LMU Kli­ni­kum der Lud­wig-Maxi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät, rund die Hälf­te der Covid-19-Pati­en­ten der baye­ri­schen Lan­des­haupt­stadt und Mil­lio­nen­me­tro­po­le. „Neben loka­len Pati­en­ten neh­men wir auch Fälle mit beson­ders schwe­ren Ver­läu­fen auf. Dar­auf sind die klei­ne­ren Häu­ser in der Regel nicht vor­be­rei­tet“, so Frank. Die bei­den Uniklini­ken bera­ten zudem Behör­den und Minis­te­ri­en in Fra­gen der Gesund­heits­po­li­tik. Der Aus­tausch von Erkennt­nis­sen zu Covid-19 mit Kol­le­gen welt­weit ist für die Medi­zi­ner selbst­ver­ständ­lich: „Wir haben enge Ver­bin­dun­gen zum Bei­spiel nach Ita­li­en, Spa­ni­en und China. Da hilft uns das Netz­werk, das im Rah­men von For­schungs­pro­jek­ten schon vor der Pan­de­mie exis­tier­te“, erklärt die Betriebs­wir­tin. 

Elke Frank erwartet durch die Corona-Pandemie eine positive Entwicklung für Kliniken. Peter Pulkowski

Budgetfragen rücken in den Hintergrund

Das Corona­virus setzt die sonst gül­ti­gen wirt­schaft­li­chen Mecha­nis­men von Kli­ni­ken vor­erst außer Kraft. Plan­ba­re Ope­ra­tio­nen und Behand­lun­gen wur­den auf Beschluss der Bun­des­re­gie­rung Mitte März 2020 für Kran­ken­häu­ser in ganz Deutsch­land aus­ge­setzt. Län­der wie zum Beispiel Öster­reich, die Schweiz und Spa­ni­en sowie eini­ge Kli­ni­ken in den USA gehen ähn­li­che Wege. Sie hof­fen, so Eng­päs­se in der Ver­sor­gung von Not­fall­pa­ti­en­ten zu ver­mei­den. Damit ent­fällt eine wich­ti­ge Ein­nah­me­quel­le für die Kli­ni­ken. Doch Bud­gets müs­sen ange­sichts der Bewäl­ti­gung der Pan­de­mie eine unter­ge­ord­ne­te Rolle spie­len. „Wir haben den Auf­trag der Lan­des­re­gie­rung, die Ver­sor­gungs­si­cher­heit unter allen Umstän­den zu gewähr­leis­ten“, sagt Frank. Bereits im Febru­ar hatte das Kli­ni­kum Pläne erar­bei­tet, um etwa die Zahl der Inten­siv­bet­ten zu erhö­hen. „Bei Bedarf kön­nen wir die Kapa­zi­tä­ten rela­tiv schnell hoch­fah­ren“, so Frank. 

Die Digitalisierung könnte für uns eine große Hilfe sein – wenn wir bereits auf der Höhe der Zeit wären.

Dr. Elke Frank
Kaufmännische Direktorin im Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München

Den­noch: Ganz ideal ist das Kli­ni­kum für die anste­hen­den Auf­ga­ben nicht gerüs­tet. „Die Digi­ta­li­sie­rung könn­te für uns eine große Hilfe sein – wenn wir bereits auf der Höhe der Zeit wären“, sagt Frank. Gleich­zei­tig beob­ach­tet sie, dass Digi­ta­li­sie­rungs­pro­jek­te jetzt in Schwung gera­ten. „Covid-19 ver­setzt uns ein Stück weit in die Lage, den Rück­stand auf­zu­ho­len“, so die Mana­ge­rin. Roman Hipp, als Seni­or Part­ner bei Por­sche Con­sul­ting für das Gesund­heits­we­sen zustän­dig, sieht das Münch­ner Kli­ni­kum stell­ver­tre­tend für viele große Kran­ken­häu­ser. „Aus­ge­löst durch die Pan­de­mie, wer­den jetzt schnel­ler und ver­stärkt digi­ta­le Tech­no­lo­gi­en ein­ge­setzt, um das Per­so­nal in Kran­ken­häu­sern zu ent­las­ten und Pati­en­ten best­mög­lich zu behan­deln. Wer bereits in der Ver­gan­gen­heit Smart-Hos­pi­tal-Kon­zep­te imple­men­tie­ren konn­te, ist heute klar im Vor­teil.“ Gleich­zei­tig gelte es jetzt auch, das Momen­tum zu nut­zen und Netz­wer­ke auf­zu­bau­en. „Kran­ken­häu­ser wer­den die Digi­ta­li­sie­rung nicht allei­ne stem­men kön­nen“, so Hipp. „Damit die digi­ta­len Mög­lich­kei­ten zum Wohle von Pati­en­ten umfäng­lich aus­ge­schöpft wer­den, müs­sen Unter­neh­men aus Medi­zin­tech­nik und Phar­ma­in­dus­trie sowie Start-ups und Inves­to­ren ihre jewei­li­ge Exper­ti­se zusam­men­brin­gen.“ Zukunfts­ge­rich­te­te Fach­kon­fe­ren­zen wie der Digi­tal Health Sum­mit der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Mün­chen seien gut geeig­net, die ent­schei­den­den Akteu­re des Gesund­heits­we­sens zu ver­net­zen – mit dem gemein­sa­men Ziel der digi­ta­len Inno­va­ti­on. 

Schwachstellen werden sichtbar

Im Kli­ni­kum rechts der Isar bewirkt die Not­si­tua­ti­on neben der tech­no­lo­gi­schen auch auf der mensch­li­chen Seite Ver­än­de­run­gen: „Die Mit­ar­bei­ter sprin­gen da ein, wo sie gebraucht wer­den“, erzählt die Vor­stän­din. So viel inter­dis­zi­pli­nä­re Zusam­men­ar­beit war zuvor kaum denk­bar. Aller­dings habe die Pan­de­mie auch eini­ge Schwach­stel­len auf­ge­deckt. So haben ein­zel­ne Abtei­lun­gen im Kli­ni­kum noch unter­schied­li­che Abläu­fe. Das betrifft zum Bei­spiel die Pati­en­ten­steue­rung, aber auch den chir­ur­gi­schen Ablauf und das Manage­ment des sogenann­ten Ste­ril­gu­tes. „Daran müs­sen wir in Zukunft gemein­sam arbei­ten, um die Pro­zes­se in Gleich­klang zu brin­gen“, so Frank. Erste Schrit­te sind schon gemacht: Zusam­men mit Por­sche Con­sul­ting wur­den im Jahr 2019 Füh­rungs­leit­li­ni­en defi­niert und eine stra­te­gi­sche Neu­aus­rich­tung der kauf­män­ni­schen Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren begon­nen. „Von den ver­bes­ser­ten Pro­zes­sen pro­fi­tie­ren wir in der aktu­el­len Lage beson­ders. Zum Bei­spiel durch die 25 Pro­zess- und Trans­for­ma­ti­ons-Mode­ra­to­ren, die im Zuge der Pro­jek­te aus­ge­bil­det wur­den. Eini­ge hel­fen in den Kri­sen­sit­zun­gen mit Struk­tur­vor­schlä­gen, um so Ent­schei­dungs­vor­la­gen opti­mal vor­zu­be­rei­ten. Für den Vor­stand ist das eine her­vor­ra­gen­de Hil­fe­stel­lung“, sagt Frank.  

Die Wert­schät­zung, die den Kli­ni­ken und dem Per­so­nal aktu­ell ent­ge­gen­ge­bracht wird, fin­det Elke Frank gerecht­fer­tigt. „Ich hoffe, dass das auch so bleibt. Und dass auch die Mit­ar­bei­ter vom Haus­meis­ter und der Rei­ni­gungs­kraft bis hin zu den pri­mä­ren Leis­tungs­er­brin­gern wie den Pfle­ge­teams und den Ärz­ten sich ihrer jewei­li­gen Rolle wie­der bewuss­ter wer­den. Das könn­te zu einem neuen Bild des Gesund­heits­we­sens füh­ren.“ Dafür sei es aller­dings not­wen­dig, dass alle Berufs­grup­pen rund um die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung die Chan­ce der neuen Wert­schät­zung nutz­ten. Ob das wirk­lich so komme, daran hegt die Mana­ge­rin Zwei­fel. „Ich glau­be aber, dass es ins­ge­samt eine posi­ti­ve Ent­wick­lung für die Kli­ni­ken geben wird.“ 

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